Begegnungen
auf Durcans Waterloo Road.
(Aus Greetings To Our Friends In Brazil (1999), zit. nach Life is a Dream: 40 Years Reading Poems 1967-2007.)
Auf der Waterloo Road an einem Tag im August
Traf ich Patrick Kavanagh in seinem Gartenhaus.
Nach dem Klingeln wartete ich lange –
Öffnen … oder nicht öffnen –
Bevor ich zwei Augen sah, traurig, weise, heiter
Hinter schwarzem Horn
Mich beäugend durch das Oberlicht der Tür.
Patrick Kavanagh führte mich durch den langen Flur
Bis hinter in’s Wohnzimmer mit Blick in den Garten.
Er saß in einem seetüchtigen Sessel aus vergangenen Zeiten.
Dutzende Anthologien Amerikanischer Poesie in Regalen
Umgaben auf dem Boden seine nackten Füße.
Er blinzelte hinauf in den Himmel hinter mir:
„Die amerikanische Anthologie ist genau richtig für den Anfang.“
Wir saßen schweigend – zwei ehrerbietige Elefanten.
Er, der alte Flickschuster am Ende seiner Tage;
Ich, der Lehrjunge, erstmalig schwanger.
„Die Lehrzeit,“ erklärte er eifrig nach vorn gebeugt
„Die Lehrzeit, musst du wissen, dauert 20 Jahre.“
Es war ein Tag voller Sonne auf der Waterloo Road –
Blauer Himmel, Hemdsärmel, Fahrräder, Miniröcke –
Als wir zum Waterloo House hinunterschlenderten
Vorbei an Michael Kanes großem Fenster
für einen Schluck zur Mittagszeit.
Ein Hoch herrschte über Irland.
Bei einer Baustelle an der Ecke der Waterloo Road,
Dort, wo das Bürogebäude der Gelben Seiten errichtet wurde,
Hielt Patrick Kavanagh inne, die Hände in die Hüften gestemmt,
Blickte er auf die flinken Männer mit Bauarbeiterhelmen,
Kippenrauchende Seiltänzer,
Drehte sich zu mir um mit feierlichem Blick;
Offenbarend die Geheimnisse des Universums verkündete er:
„Arbeiter!“ Er war seinen Kopf nach hinten. „Arbeiter!“
An diesem Tag war Patrick Kavanagh als Hochzeitsgast geladen
Im Shangri-La Hotel auf dem Hügel von Dalkey.
Wir nahmen das Taxi wegen der Sonnenkompanie,
Wie Lenny Bruce und Billy the Kid
In einem Karren entlang der Dubliner Hafenlinie.
Obwohl ich obdachlos, arbeitslos und ohne Zukunft war,
Fühlte ich mich so sicher mit Patrick Kavanagh.
Ich schwärmte: Dieser Tag voller Sonne
Erinnert mich an meine Klosterzeit –
Das Trappistenkloster auf dem Mount Melleroy.
Hinten im Taxi stöhnt
Fassungslos Patrick Kavanagh:
„An einem Sommertag wie heute
Darf man nicht an Klöster denken.
An einem Sommertag wie heute
Musst du an wunderschöne Frauen denken.“
Dann, in der Empfangshalle des Shangri La,
Nahm uns der Oberkellner aufs Korn,
Hielt uns wohl für zwei Saufbrüder
Und wollte uns schon hinauswerfen.
Nur der Bräutigam rettete uns noch,
Mich und den Ehrengast Patrick Kavanagh.
Fetzen summend aus „On Raglan Road“
Ließ sich Patrick Kavanagh hinter mir auf das Sofa nieder –
„Ich werd‘ mich dafür nicht verbiegen, lieber bleib‘ ich hier noch liegen.“ -*
Währenddessen saß ich an der Bar und sah
Direkt neben mir eine wunderschöne Frau
Mit langen roten Haaren, grünen Augen, Sommersprossen.
Nessa O’Neill war ihr Name und sie lud mich ein
Mit ihr schwimmen zu gehn hinten im Garten.
Dort grenzte das Shangri-La an die Irische See.
Es war Altweibersommer in Irland in diesem Jahr
und im Oktober wurden wir heimisch in London.
Sechzehn Jahre blieben wir zusammen
mit zwei Töchtern voller Sonne.
Am ersten August auf der Waterloo Road traf ich sie zum erstenmal
und mir war klar, niemals würde ich bereuen, dass ihr rotes Haar
eine Schlinge wob. Ich umarmte die Gefahr. In einer verzauberten Kutsche
segelte ich weiter und ruderte mit Rudern geleitet vom Stern Patrick Kavanaghs.
[* Diese Zeile ist ein Zitat aus Kavanaghs Gedicht „About Reason, Maybe“. Unter Durcan 5 habe ich einen Übertragungsversuch mitgeteilt unter Wahrung des Reims. Im Original bei Kavanagh (und bei Durcan) lautet diese Zeile „For that I’ll vouch on any couch.“]