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~ im Nebengebäude zum Institut für zwanghafte Verse

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Durcan 3

01 Mittwoch Jul 2015

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Schlagwörter

Öffnungen, Liebe, Paul Durcan

Fensterleibung

in der Farbe von Paul Durcans The White Window.

[aus Endsville (1967), zit. nach Life is a Dream: 40 Years Reading Poems 1967-2007]


So seh‘ ich meiner Liebsten Leib

als Fenster, makellos und rein;

Vorhänge sind ihre Kleider.

Tagsüber geschlossen

verhüllen sie das Licht,

offen des Nachts offen-

baren sie die Dunkelheit.

Durcan 2

30 Dienstag Jun 2015

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Schlagwörter

Dublin, Joyce, Michael Hartnett, Paul Durcan, Vater

Aussicht auf den Martelloturm

mit Paul Durcans Ulysses.

(Daddy, Daddy. The Blackstaff Press, Belfast, 1990, S. 99-102)


Ich bin oben auf dem Dach

Des Joyceturms in Sandycove

Verborgen vor meinem Vater.

Er steht unten

in der Düsternis der Gedenkstätte,

Beschönigungen austauschend mit dem Kurator,

dem Dichter Michael Hartnett,

atmosphärische Beschönigungen:

für den Juni zu kalt und nass.


Oben auf dem Turm habe ich Posten bezogen

Und unten tobt die Schlacht:

Ob er mir, dem Achtzehnjährigen,

Den Ulysses kauft oder nicht.

Es geht um Geld

Und noch mehr darum,

Ob es ein anständiges Buch ist,

Es geht um die Moral sozusagen.

Heute Morgen beim Frühstück fing es an,

Als ich nach einundzwanzig Shilling fragte,

Um mir den Ulysses zu kaufen.

Er lehnte das rundweg ab,

Allein schon, weil es viel zu viel Geld sei

Für einen schlecht bezahlten Richter;

Und vor allem sei es ein durch und durch unanständiges Buch.

Sogar die sehr liberal gesonnenen Jesuiten

Haben den Ulysses verurteilt

Als ein ebenso blasphemisches wie pornographisches Werk.

Meine Mutter fuhr vom Spülbecken auf:

„Lass ihm doch das elende Buch.

Dein Part ist es, endlich diesen Unsinn zu lassen,

Um Himmels willen!

Wird es irgendwann Frieden geben in diesem Haus?“

Mein Vater stürmte aus der Küche,

Das erzkatholische Blatt unterm Arm:

„Ich werde nicht seelenruhig zusehen,

Auch im Jahre des Herrn neunzehnhundertdreiundsechzig nicht,

Dass dieser blasphemische Schmierfink in diesem Haus

Von mir subventioniert wird.

Ich mache mich doch nicht zum Helfershelfer der Blasphemie.“


Ich erwische noch die Buslinie 46A zum Joyceturm,

Der vor Kurzem eröffnet wurde als Gedenkstätte.

Der Kurator bot mir an mit ihm eine Karaffe

Wodka zu teilen, die vom letzten Abend

Nach einer Soiree übriggeblieben war.

Am Tag nach dem Bloomsday,

Montag, der 17. Juni, 1963.

Wir saßen in berauschender Stille,

Besinnlich und seelenruhig,

Bis der Aufruhr der Kiesel

Die Schwärmerei jäh unterbrach.

Ich hetzte zur Tür und erblickte flüchtig

Meinen Vater unten an der Eisentreppe.

Ich kletterte auf das Dach, hoffte dort oben

Mich vor ihm zu verbergen im Nebel der See;

In der Bucht blökten die Nebelhörner.


Ich höre hinter mir Fußtritte und ich weiß, er ist es.

Er erklärt: „Ich denke, wir werden dieses Buch kaufen müssen.

Wie, sagtest du, war noch einmal der Titel?“

„Ulysses heißt das Buch“, sage ich zu ihm.

Ich folge ihm die Treppe hinunter

und er wendet sich an den Kurator:

„Mr. Hartnett, ich nehme an

Sie haben das Buch mit dem Titel Ulysses vorrätig.

Ich würde gerne eines davon erwerben.“

„Gewiß, Euer Hochwürden, gewiß“,

Erwiderte der äußerst höfliche Kurator mit trunkenen Augen,

Als er von seinem Ohrensessel aus

Hinter der Theke aus einer Schublade

Ein Exemplar des Ulysses entnahm,

Die Bodley Head Ausgabe in Jadegrün.

Mein Vater fragt ihn, ob er Packpapier habe,

Um diesen grün-satanischen Roman einzuwickeln,

Um ein Päckchen daraus zu machen.

Der Kurator starrt in den Papierkorb,

„Handgemacht aus der Blindenwerkstatt“,

Als starrt er in einen bodenlosen Fahrstuhlschacht,

Wirft einen krumm-verbindlich-fragenden Blick auf meinen Vater

Bevor er zerknüllte Tüten aus Packpapier hervorangelt

Für die Wodkaflaschen von der letzten Nacht.

Er breitet sie auf der Theke aus

Glättet sie, peinlich genau,

Um diensteifrig zu sein,

Besonders pedantisch, besonders penibel.

Förmlich übergab er das Päckchen meinem Vater

Als Lieferant eines ungreifbaren und eigensinnigen Machthabers,

Ein Friedensangebot, die bösen Geister zu bannen.

Betont sagt mein Vater: „Vielen Dank, Mr. Hartnett!“

Ausgesprochen salbungsvoll erwidert der Kurator:

„Höchst erfreut, Ihnen zu Diensten zu sein, Hochwürden.“


Mein Vater verließ mit dem Buch den Joyceturm.

Als ich am nächsten Tag meine Mutter fragte,

Ob sie es denn gesehen habe, sagte sie

Es sei im Schlafzimmer auf der Seite meines Vaters

Ihr Bett war auf der Fensterseite und sein Bett

Zwischen ihrem und der Wand.

Dort lag es, auf seinem Nachttisch,

Ulysses,

Mit einem Lesezeichen – einem Kaugummipapier –

Noch ziemlich am Anfang.

Als ich ein paar Wochen später

Selber den Ulysses las

Fand ich ihn genauso befremdlich wie meinen Vater

Und genauso unverständlich für mein Gehör.

Es war fast vier Jahre später

Als mir ein Musikfreund

Mich mit ihm vertraut machte,

So dass der Ulysses für mich zu singen begann

Und ich begann zu singen für meinen Vater:

Daddy, Daddy,

Du kleiner Mann, ich liebe dich über alles.

Durcan 1.1

03 Freitag Apr 2015

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zu Paul Durcans „The Day Kerry Became Dublin“

– „Isn’t that gas?“ (gas meters)

„Ist das nicht irre?“

Durcan 1

01 Mittwoch Apr 2015

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Schlagwörter

Dublin, Irland, Lyrik, Paul Durcan, Poesie

Heilige Vorgänge

gebildet nach Paul Durcans „The Day Kerry Became Dublin“

In Rialto, Dublin, war ich grade beim Gasuhren ablesen,

– das ging von einem siffigen Dreckloch ins and’re –

als ich durch den Hausflur einer Frau mit grünen Sportklamotten

– die war fast eins-achtzig und hatte ’ne Menge Gören –

in den Radionachrichten die Ankündigung hörte;

– der Bischof von Kerry ist zum Erzbischof von Dublin ernannt worden –

aber mir ging nichts and’res im Kopf rum als ihr Hintern;

– der bewegte sich wie alleine an ihr –

und dass es schön wäre mit ihr das Tanzbein zu schwingen

– samstagnachmittags in einem Kneipensaal –

oder ganz eng Walzer zu tanzen auf dem Grunde der See.

„Ist das nicht irre?“, zischelte sie,

– „die machen den Bischof von Kerry zum Erzbischof von Dublin!“ –

Da ging ich unter der Gasuhr in die Knie

und betete am Heiligen Altar ihrer Schenkel

vor den prächtigen Kirchenfenstern ihrer Brüste.

– Ob ich ihre Krypta mit meiner Fackel ausleuchten dürfte, bitte? –

Jeden Morgen geh ich zur Messe, aber ich weiss auch nicht mehr

über den Erzbischof von Dublin als über den Papst in Rom.

Und ich denke oft, es wäre wahrlich erhebend

den Dalai Lama zu seh’n

und ins Bett zu gehen mit der Frau meiner Träume,

– auf ewig –

um die ganze Erde mit meinen Nachkommen zu beglücken.

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